Das Thema der diesjährigen Domfestspiele lautet „fremde Heimat“. Ein herrlich widerständiges Begriffspaar, dem man im Alltag selten ansichtig wird. Die vergangenen sechs Tage im Geschichtskasten auf dem Kulturhof hatten keinen Schatten von Alltäglichkeit. Selten fremd fühlten wir uns, als wir anfangs als Ahnungslose belächelt wurden, wenn wir bei Namen wie Beitz, Butterbrodt oder Ehgart nach der Schreibweise fragen mussten. Ungewohnt heimatlich dann doch das Gefühl, schon nach wenigen Tagen gemeinsam über Begriffe wie „Ochsenblut“ oder „Knöllchen-Horst“ lachen zu können. In unseren eigenen Heimatstädten, irgendwo, da grüßt man kaum den Nachbar auf der Treppe; bei der Spurensuche nach Gandersheimer Geschichten spiegelt sich plötzlich in jedem x-beliebigen Poller ein Panorama an Befindlichkeiten, und immer liegt ein wenig mehr dahinter oder darunter. Hinter den Domfestspielen liegen Erinnerungen an Jedermann-Castings auf Sägespäne und Viehsalz. Hinter dem Gefängnis liegt mein neuer Lieblings-Flanierweg. Unter dem Rickeschen Haus liegen ungeklärte Farben. Hinter Gandersheim liegt Heckenbeck. Und hinter Heckenbeck ein recht versöhnliches Lehrstück über Gardinengucker, Indianer und Zusammenarbeit. Hinter dem Kloster Brunshausen liegt… sehr sehr viel. Wieviel dahinter und darunter will man sehen? Und warum sieht man so vieles nicht? Der vielleicht größte Einwegspiegel ist das Sole-Waldschwimmbad. Während man oben von der Hektik der Innenstadt verschont bleibt und alles beschaulich seiner Wege träumt, kämpfen hinter den Kulissen etwa dreißig ehrenamtliche Schattenkrieger gegen die Stürme und Gezeiten des Alltags. Wer mit Lothar in den Maschinenräumen des Sole-U-boots war, versteht Gandersheim Eingeweide vielleicht etwas besser als am Tag zuvor. Selbst als fremdheimatliches Kastenwesen.
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